Zu wenig Wohnraum, zu wenig Bauland
Dominic Blumenthal, Leiter Wohnungspolitik SSV
Lionel Weber, Wissenschaftlicher Mitarbeiter SSV
Mit der wohnungspolitischen Umfrage will der Städteverband die aktuellen Bedürfnisse seiner Mitglieder zur Wohnungsmarktsituation und Wohnpolitik besser verstehen und analysieren. Dafür befragte er Ende 2022 städtische Fachpersonen aus den Mitgliederstädten zu Wohnungsangebot, Hemmnissen für preisgünstigen Wohnungsbau, städtischer Wohnungspolitik und den Anliegen an die Bundespolitik und den Städteverband. Wir stellen einige der Hauptergebnisse vor.
Zu wenig günstige Wohnungen – auch in kleineren Städten
Wohnraum in den Schweizer Städten ist knapp – dies ist eine Haupterkenntnis der Umfrage mit den Fachpersonen der Schweizer Städte und städtischen Gemeinden. Etwas mehr als zwei Drittel der befragten Städte bezeichnet den verfügbaren Wohnraum als «etwas zu klein» oder «viel zu klein». Besonders ausgeprägt ist die Angebotsknappheit bei den Wohnungen im unteren Preissegment, und dies sowohl bei Mietwohnungen als auch bei Wohneigentum.
Am meisten Mühe, eine geeignete Wohnung zu finden, haben Haushalte mit Kindern, und insbesondere Alleinerziehende. Grössere Städte haben zurzeit im untersten Preissegment und bei den gemeinnützigen Wohnbauträgern eine angespanntere Angebotssituation als kleinere Städte. In der Umfrage sind alle Grossstädte mit mehr als 50'000 EinwohnerInnen der Meinung, dass die Angebotssituation von gemeinnützigen Wohnungen in ihrer Stadt zu knapp ist. Am ehesten ist nach der Einschätzung einer Mehrheit der befragten Städte genügend Wohnraum im oberen Preissegment vorhanden. Und auch die Entwicklung der letzten Jahre macht Sorge: Mehr als die Hälfte der Schweizer Städte sind der Meinung, dass sich die allgemeine Wohnknappheit ihrer Stadt in den letzten fünf Jahren angespannt hat.
Bauland fehlt und ist zu teuer
Viele Städte sind bereits wohnungspolitisch aktiv, um der Wohnraumknappheit entgegenzuwirken. Zu den am weitesten verbreiteten Aktivitäten gehören raumplanerische Massnahmen und der Austausch mit Akteurinnen der Immobilienbranche wie Investorinnen, Generalunternehmen und Baugenossenschaften. Die meistverwendete wohnpolitische Massnahme ist die Abgabe von Bauland im Baurecht. Doch gerade dafür fehlt oft der Boden: Den Mangel an verfügbarem Bauland sehen die befragten Städte denn auch als grösstes Hemmnis für die Erstellung von mehr preisgünstigen Wohnungen. Über 80 Prozent der Städte sind dieser Meinung. Gut die Hälfte der Städte geben an, dass die Bauverfahren teilweise zu lang und zu kompliziert sind. Zudem wird ein fehlendes Interesse von Investorinnen und Investoren für den Bau von preisgünstigen Wohnungen bemängelt.
Es besteht Handlungsbedarf
Der wohnpolitische Handlungsbedarf auf nationaler Ebene kommt in der Umfrage klar zum Ausdruck. Konkret halten über 80% der befragten Städte und städtischen Gemeinden ein Vorkaufsrecht für sehr zweckmässig oder zweckmässig. Auch die Mitteilung des vorherigen Mietzinses und die Beschränkung der Mietzinserhöhung werden von rund zwei Dritteln der Städte als zweckmässige Gesetzesänderungen gesehen.
Wohnnachfrage wird den Städteverband auch in Zukunft beschäftigen
Vor allem bei Einverdienerhaushalten ist die Wohnkostenbelastung in Relation zum Haushaltsbudget in den Städten oft hoch. Gründe dazu lassen sich im hohen Ausbaustandard der hiesigen Wohnungen finden. Zentral ist allerdings der Überhang in der Nachfrage, der sich laufend zuspitzt. Gründe dafür sind das Bevölkerungswachstum und die zunehmenden Wohnflächenansprüche, durch die vermehrte Bildung kleiner Haushalte – d.h, pro Person wird immer mehr Wohnfläche benötigt. Gleichzeitig kommt der Nettozuwachs an zusätzlichen Wohnungen in zahlreichen Städten nicht wie angestrebt voran. Diese Herausforderungen müssen von den Städten angegangen werden.
Die Erkenntnisse und die Forderungen der Städte wird der SSV in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren. Es gilt, eine konsolidierte politische Position zu erarbeiten sowie einen zielgerichteten Austausch innerhalb des Netzwerkes zu pflegen. Der Schweizerische Städteverband und das Bundesamt für Wohnungswesen tauschen sich dafür regelmässig in unterschiedlichen Gremien aus. Der Dialog wird in naher Zukunft mit weiteren wohnungspolitisch relevanten Akteuren und Akteurinnen intensiviert, mit dem Ziel, notwendige Massnahmen und mögliche Lösungsansätze zu formulieren.
Die Umfrage Im November 2022 wurden sämtliche 130 Städte, die Mitglied des SSV sind, zur Beantwortung der Umfrage eingeladen. Die Städte waren frei bei der Wahl, welche ihrer Fachpersonen die Umfrage beantworteten. Sie wurde vorwiegend von leitenden Personen aus den Bereichen Stadt-/Raumplanung, Stadtentwicklung, Stadtpräsidium und Immobilienentwicklung ausgefüllt. 71 Fachpersonen aus 59 Städten füllten die Umfrage vollständig aus. Die Umfrageergebnisse wurden durch fünf Interviewgespräche ergänzt, welche mit Vertretern aus Thun, Lausanne, Luzern und Dietikon geführt wurden. Für die Projektbearbeitung war Wüest Partner zuständig. |