Alte Städte – neue Märkte
Bellinzona ist das schweizweit vielleicht bekannteste Beispiel dieser Entwicklung. Sie betrifft in veränderter Form aber auch viele andere Städte aller Regionen – bis hin zum kleinen Huttwil im Emmental oder Altstätten im Rheintal mit ihren wiederbelebten Jahrmärkten. Auch in Bellinzona gibt es keine ungebrochene Markttradition. Historisch zwar bedeutsam, wurde sie nach einer langen Durststrecke erst 1975 wieder ins Leben gerufen. Heute ist der Markt ein beliebtes Ziel des «kleinen Tourismus», aber auch als Halt auf dem Weg in den Süden. Mit seinen mittlerweile bis zu 120 Ständen – viele davon in den Tessiner Farben – zieht er im Jahr über 100’000 Besucherinnen und Besucher aus nah und fern an. Sie konsumieren hier neben saisonalen Angeboten nicht nur die typischen Käse, Würste und Weine, sondern zugleich ein wenig von den Vorstellungen über das Tessin und seinen Traditionen. So stiften Märkte auch neue und zutiefst emotionale Beziehungen zwischen Produzentinnen bzw. Produzenten sowie Konsumentinnen und Konsumenten, zwischen den Regionen und vor allem zwischen Stadt und Land.
Auch wenn mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 2016 das Tessin noch näher an die Städte und Zentren des Nordens gerückt ist, verbinden sich mit dem neuen Städtetourismus nach wie vor Herausforderungen mit dem Verkehr. Und die neue Begeisterung für die städtischen Märkte stösst mit ihren Anzeichen des Overtourismus bei der einheimischen Bevölkerung verständlicherweise nicht immer und überall auf ungeteilte Gegenliebe.
Bernhard Tschofen