Gesünder Leben dank sozialer Kohäsion
Stéphanie Pin, Dr. rer. Sozialwissenschaften, Abteilungsleiterin Gesundheitsförderung und -prävention, Unisanté
Die Städte stehen zahlreichen Herausforderungen gegenüber: demografische Entwicklung, rasche Urbanisierung, stärkere kulturelle Vielfalt und Klimawandel. Sie alle sind eng verknüpft, haben einen direkten Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt sowie die Gesundheit und Lebensqualität des Einzelnen. Sie erfordern deshalb ganzheitliche und partizipative Ansätze.
Zusammenhänge zwischen sozialem Zusammenhalt und Gesundheit
Sozialer Zusammenhalt beschreibt qualitative soziale Bindungen innerhalb einer Gemeinschaft und hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit des Einzelnen: Gemäss diversen Studien bieten Gemeinden, in denen sich die Einwohnerinnen und Einwohner kennen, sich gegenseitig helfen und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl teilen, ein gesundheitsförderndes Umfeld. Sie weisen niedrigere Werte in Bezug auf Stress, Depressionen und Risikoverhalten gepaart mit besserem Wohlbefinden auf als Orte mit geringem sozialem Zusammenhalt. Denn häufige soziale Interaktionen fördern gesunde Verhaltensweisen wie körperliche Aktivität oder eine gesündere Ernährung und senken das Risiko von Herz-Kreislauf- sowie Krebserkrankungen. Umgekehrt sind gesunde Menschen eher bereit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In einem Klima der Isolation und Ausgrenzung wiederum verbessert ein soziales Umfeld den Zugang zu Gesundheitsinformationen und -leistungen.
Nutzen von partizipativen Ansätzen
in der Gesundheitsförderung zeigen beispielsweise durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) getragene Initiativen auf, welche Rolle Städte und Gemeinden einnehmen, wie z.B. «Gesunde Städte» oder «Altersfreundliche Städte». In der Schweiz gehört soziale Kohäsion zu den Massnahmen, die durch das Label Gesunde Gemeinde anerkannt werden. Projekte wie das in der Romandie von Pro Senectute geführte Quartiers Solidaires, oder Älter werden im Quartier in Winterthur zielen auf Gesundheit und Empowerment von Seniorinnen und Senioren ab. Sozialarbeiterinnen und -arbeiter auf Gemeindeebene mobilisieren wiederum Jugendliche und integrieren die Gesundheitsförderung immer stärker in ihre Praxis.
Solche Initiativen motivieren die Städte zur Förderung sozialer Interaktionen, indem sie die Bevölkerung bereits in der Phase der Bedarfsermittlung mithilfe partizipativer Methoden einbeziehen und gemeinschaftliche Aktivitäten oder soziale Räume anbieten. Diese Projekte fördern ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit, das sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt.
Gemeinschaftliche Programme zum Nutzen aller
Gemeinschaftliche Programme, die durch die Bevölkerung mitgestaltet werden, wirken sich direkt auf die Lebensqualität aus. Sie werden von Quartiertreffpunkten, soziokulturellen Zentren oder Vereinen angeboten, die auf bestimmte Zielgruppen (Seniorinnen und Senioren, Jugendliche oder Alleinerziehende, usw.) ausgerichtet sind. Es gibt sie in vielfältigen Formen, zum Beispiel als Wanderclubs, Kochworkshops, Vorträge, usw. Das Programm Femmes-Tische/ Hommes-Tische beispielsweise bietet Materialien für die Moderation von Gesprächsrunden über diverse Themen wie Gesundheit mit und für Menschen mit Migrationshintergrund.
Öffentliche, gesundheitsfördernde Räume
Massnahmen zur Förderung der Gesundheit und des sozialen Zusammenhalts geschehen auch durch die Adaption der Lebensräume. Öffentliche Begegnungsräume können sowohl das im Umfeld wahrgenommene Wohlbefinden verbessern als auch Bewegung und Erfahrungsaustausch fördern. Parks, öffentliche Plätze, Gemeinschaftsgärten, Gemeinschaftszentren und barrierefreie Wanderwege sind Infrastrukturen, die sich positiv auf die Geselligkeit und gesundheitsfördernde Verhaltensweisen auswirken.
Städte beginnen, diese Sozialisations- und Gesundheitsziele in ihre Stadtplanung aufzunehmen. Beispiele hierfür sind Rotterdam, das eine Vorreiterrolle bei der gesundheitsfördernden Stadtgestaltung einnimmt, oder das Programm Move the Neighbourhood in Kopenhagen, bei dem die Bevölkerung in die Gestaltung und Animation öffentlicher Räume einbezogen wird. Diese Dynamik zeigt sich auch in der Schweiz: Im Ecoquartier Plaines-du-Loup in Lausanne etwa fördern bestimmte Räume über den Nutzungsmix soziale Bindung und Bewegung. Der MFO-Park in Zürich will Ort der Entspannung und Begegnung mit Blick auf Nachhaltigkeit sein. Und in diversen Städten und Gemeinden gibt es Initiativen, um gesellige Spielplätze einzurichten oder Mehrzweck-Gemeinschaftsräume anzubieten.
Fazit
Sozialer Zusammenhalt spielt für die Gesundheit eine Schlüsselrolle. Er schafft ein Umfeld, in dem sich alle entfalten und unterstützt fühlen können. Das Bewusstsein für diese Wechselwirkung erlaubt es, integrative Massnahmen und Räume zu gestalten, die das Wohlbefinden der Gemeinschaft fördern und die Widerstandsfähigkeit unserer Städte gegenüber den heutigen Herausforderungen stärken. Beispiele guter Praxis aus der Schweiz und dem Ausland zeigen, dass sich ein integrierter und partizipativer Ansatz massgeblich auf eine umfassende und nachhaltige Gesundheit auswirken kann.