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Zwischen Dorf und Stadt: Umfrage des Städteverbandes beleuchtet Selbstverständnis der Agglomerationen

23. Juni 2020 – Die Agglomerationen wachsen, ihre Lebenswelt und Herausforderungen werden zunehmend städtischer. Besonders in der Raumplanung, im Verkehr, im Sozialwesen und in der Klimapolitik stehen Kernstädte und Kernagglomerationen vor ähnlichen Aufgaben. Dennoch unterscheiden sich Wahrnehmung, Identität oder das Bedürfnis nach Zusammenarbeit und Autonomie je nach Art der Gemeinde. Dies zeigt eine umfassende Befragung von Exekutivmitgliedern und leitenden Verwaltungsangestellten, welche die Forschungsstelle sotomo im Auftrag des Schweizerischen Städteverbandes durchgeführt hat.

Urban, aber nicht überall städtisch. Verstädterung, aber nicht überall. Der Wunsch nach mehr Kooperation, und zugleich nach mehr Autonomie – eine Befragung der Forschungsstelle sotomo hat vielfältige Erkenntnisse zum Selbstverständnis und zu den Bedürfnissen in den Agglomerationen zutage gebracht. Zur Umfrage im Auftrag des Schweizerischen Städteverbandes wurden Vertreterinnen und Vertreter aus allen Schweizer Agglomerationskerngemeinden eingeladen – also aus Kernstädten sowie den umliegenden Kernagglomerationen ((Vgl. Definition am Schluss)). Fast 500 Exekutivmitglieder und Fachverantwortliche aus 175 Städten und Gemeinden nahmen daran teil.

 

Der Bericht «Agglomerationen stärken» zeigt, dass der Begriff der Urbanität weiter reicht als der Begriff der Stadt. Während die Bezeichnung «urbane Gemeinde» mit der Selbstwahrnehmung in Kernstadt und Kernagglomeration übereinstimmt, wird der Begriff «Stadt» überwiegend auf die Kernstadt bezogen. Viele Vertreterinnen und Vertreter der Kernagglomeration sehen ihren Ort zwar als urban, nicht jedoch als städtisch an. Nur 22 Prozent der Befragten aus der Kernagglomeration ordnen ihre Gemeinde eindeutig als Stadt ein. Rund die Hälfte ist der Ansicht, dass die Gemeinde etwas zwischen Dorf und Stadt sei. Die Verstädterung wird in den Kernagglomerationen nicht in allen Bereichen gleich stark empfunden. Als ausgeprägt wird sie insbesondere in Bezug auf den Verkehr und die Bausubstanz eingestuft, viel weniger jedoch in Bezug auf das öffentliche Leben und die Mentalität der Bevölkerung. Das heisst, es wird eine eher einseitige Urbanisierung wahrgenommen.

 

Raumplanung, Verkehr und Sozialwesen

Einig sind sich die Vertreterinnen und Vertreter von Kernstädten und Kernagglomerationen, dass die Bereiche Raumplanung/Umwelt (73 Prozent aller Nennungen), Mobilität/Verkehr (60 Prozent), das Gesundheits- und Sozialwesen (59 Prozent), aber auch der Klimawandel (50 Prozent) eine Herausforderung darstellen. In Kernagglomerationsgemeinden beschäftigt die Teilnehmenden im Besonderen auch die Komplexität und die Kostenintensität von Informatikprojekten, der Ausbau von Schulen, das Bevölkerungswachstum oder die Alterung der Gesellschaft, während in den Kernstädten vor allem das Wohnen als weitere grosse Herausforderung gesehen wird. Die Befragung wurde vor Ausbruch der Coronakrise lanciert, weshalb deren Bewältigung hier nicht zum Ausdruck kommt.

 

Finanzielle und personelle Ressourcen werden je von rund der Hälfte der Befragten als Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Herausforderungen genannt. In diesem Bereich sehen sich die Entscheidungsträgerinnen und -träger am ehesten limitiert. Mit etwas Abstand folgen mit je rund 35 Prozent Nennungen regulatorische Vorgaben und die Koordination mit dem Kanton.

 

Bedürfnis nach Kooperation und Autonomie

Die Qualität der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden sowie mit Bund und Kantonen wird generell positiv bewertet. Dennoch zeigt sich sowohl bei Befragten aus den Kernstädten als auch bei solchen aus den Kernagglomerationen ein Grundbedürfnis nach mehr Kooperation, etwa bei der Entwicklung digitaler Lösungen, in der Standortförderung, in der Raumplanung oder in der Mobilität.

 

Generell wünschen die Befragten mehr Unterstützung durch höhere föderale Stufen. Gleichzeitig ist eine gewisse Skepsis gegenüber einer Kompetenzübertragung sichtbar. Kernstädte streben vor allem im Verkehr nach mehr Autonomie, Kernagglomerationen insbesondere in der Raumplanung. Nur eine Minderheit der Kernagglomerationsgemeinden strebt eine Fusion mit anderen Gemeinden an. Dabei sprechen ihrer Ansicht nach vor allem Gründe wie ein Identitäts- oder Autonomieverlust gegen eine Fusion. Folglich werden Fusionen vor allem von Gemeinden angestrebt, die ihre eigene Gemeinde dadurch vergrössern können.

 

 

Definition: Agglomerationskerngemeinde und Kernagglomerationsgemeinde

Agglomerationskerngemeinden, die den Fokus der Studie bildeten, gliedern sich nach Definition des Bundesamtes für Statistik BFS in Kernstädte (dunkelgrün und hellgrün in der nachfolgenden Abbildung), Haupt- und Nebenkerne. Letztere zwei werden in der Studie als Kernagglomeration (lila) bezeichnet. Diese Agglomerationsgemeinden nehmen aufgrund ihrer Lage und ihres Charakters eine Position zwischen reinen Gürtelgemeinden und Kernstädten ein.

Kontakt
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Lorenz Bosshardt, Studienautor und Projektleiter bei der Forschungsstelle sotomo
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Claudine Wyssa, Gemeindepräsidentin Bussigny, Präsidentin des Waadtländer Gemeindeverbandes
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