«Mit der Natur zu arbeiten heisst, langfristig zu planen»
Welche Bedeutung hat Biodiversität in Ihrer Stadt?
Die Stadt Yverdon-les-Bains hat aufgrund ihrer aussergewöhnlichen geografischen Lage inmitten bedeutender Naturräume (Grande-Cariçaie, Bois des Vernes, Orbe-Ebene) eine ganz besondere Verantwortung, wenn es um die Biodiversität geht. Die Stadt engagiert sich bereits seit vielen Jahren im Umweltbereich. So wurde etwa bei den Grünflächen der Stadt das Prinzip der differenzierten Pflege eingeführt. Zudem wurden grössere Projekte wie die Renaturierung der Zihl oder der Mujon-Mündung umgesetzt. Diese Massnahmen zeigen, dass die Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern qualitativ hochwertige Naturräume bieten möchte. Mit der Natur zu arbeiten heisst aber auch, langfristig zu planen. Daher hat die Stadt einen «Richtplan Natur» erarbeitet, in dem die Ziele und Grundsätze der Massnahmen zur Wahrung und Förderung der Biodiversität im Gemeindegebiet für die nächsten 15 Jahre festgelegt sind.
Was unternimmt Yverdon-les-Bains konkret zur Förderung der Biodiversität im städtischen Raum?
Ein gutes Beispiel ist die differenzierte Pflege. Dabei erfolgt die Pflege von Grünflächen nicht einheitlich, sondern abhängig von deren Nutzung durch die Öffentlichkeit. So werden etwa Flächen, die der Erholung und Freizeitgestaltung dienen, regelmässig gemäht, während wenig frequentierte Flächen nur einmal im Spätjahr gemäht werden. Auf diese Weise können sich Flora und Fauna im städtischen Raum besser entwickeln.
Können Sie uns Näheres zu den kommunalen Subventionen sagen, die sich an Privatpersonen und Unternehmen richten und zur Förderung der Biodiversität beitragen sollen?
Wir bieten eine individuelle Beratung zu Pflege und Gestaltung im Rahmen eines Besuchs eines Biologen bzw. einer Biologin. Die Begrünung von Dächern und Fassaden wird ebenfalls unterstützt. Zudem fördert die Stadt den Austausch von Hecken aus exotischen Arten wie Lorbeer oder Thuja durch Hecken aus einheimischen Straucharten, die Tieren Unterschlupf und/oder Nahrung bieten. Auch Privatprojekte von Eigentümern wie etwa die Anlage von Biotopen (Teich, Trockenmauer, Obstgärten) oder das Verfahren zum Erhalt eines Umweltsiegels können finanziell unterstützt werden.
Der «Biodivercity»-Lehrpfad richtet sich speziell an die junge Generation. Wie wichtig ist es, die Jugend in dieses Thema einzubeziehen?
Der «Biodivercity»-Lehrpfad macht den Reichtum und die Vielfalt der städtischen Natur deutlich und veranschaulicht die Arbeit, die von den für die nachhaltige Pflege dieser Bereiche zuständigen städtischen Diensten geleistet wird. Der Lehrpfad wurde eingerichtet, damit junge Menschen von klein auf für dieses Thema sensibilisiert werden und die Vielfalt der Natur entdecken können.
Yverdon-les-Bains ist Mitglied der Fachgruppe zur Begleitung des von der Tripartiten Konferenz des Bundes, der Kantone und der Gemeinden ins Leben gerufenen Pilotprojekts «Biodiversität und Landschaftsqualitäten in Agglomerationen fördern». Können Sie ein paar Worte zum Engagement von Yverdon-les-Bains bei diesem Projekt sagen?
Ziel der Arbeitsgruppe ist die Schaffung eines «Biodiversitäts-Google», das die Vernetzung, den Austausch und die Verbreitung von Massnahmen ermöglicht, welche die Biodiversität in den Agglomerationen fördert. Das gesamte Projekt untersteht der Leitung des BAFU. Die Stadt Yverdon-les-Bains ist als Sachverständige für Biodiversität und als Vertreterin des Schweizerischen Städteverbands beteiligt. Wir können unser Praxiswissen und unsere Erfahrungen als Stadt, die mit diesen Herausforderungen konfrontiert ist, einbringen.
Pierre Dessemontet, geboren 1969, ist ausgebildeter Geograph. Er ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und wurde 2016 in den Stadtrat und 2017 als Abgeordneter in den Waadtländer Grossen Rat gewählt. Seit 2021 ist er Stadtpräsident von Yverdon-les-Bains.