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«Genf setzt auf Grundlagenprojekte, nicht auf kurzlebige Spielereien»

2. Mai 2022 – Interview mit Sami Kanaan (SP), Vize-Präsident des SSV und Stadtrat in Genf. Er leitet das Departement für Kultur und digitale Transformation, womit er für die Digitalisierung in seiner Stadt zuständig ist.

Die DVS befindet sich im ersten Jahr ihres Bestehens. Was erhoffen Sie sich von der neuen Organisation für Genf? Welcher Nutzen ist zu erwarten?

Genf benötigt wie die anderen Schweizer Städte auch eine flexible und effiziente Koordinierung der grossen Herausforderungen, vor die uns die Digitalisierung sowohl in strategischer Hinsicht als auch bei der konkreten Umsetzung stellt. In strategischer Hinsicht soll es klare Vorgaben für die grossen Herausforderungen geben, zu denen die Cybersicherheit und eine verantwortungsvolle und inklusive Digitalisierung gehören, die so lokal und sicher wie möglich sein soll und auf ethischen Grundsätzen basieren muss. Was die konkrete Umsetzung anbelangt, brauchen wir eine Koordinierung, die es uns ermöglicht, untereinander kompatible Systeme einzuführen und die auf der Ebene des Bundes bestehenden Möglichkeiten für alle Gemeinwesen nutzbar zu machen.

 

Die DVS soll in einer ersten Phase vor allem Machbarkeitsstudien und Pilotprojekte anstossen. Wo sind Ihrer Ansicht nach die Prioritäten zu setzen?

Mit den Machbarkeitsstudien muss evaluiert werden, welche Möglichkeiten es gibt, z. B. für die Entwicklung souveräner Clouds und die e-ID oder auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Klima. Ich bin der Ansicht, dass wir ein agiles Vorgehen benötigen – mit Pilotprojekten, die Experimente und unmittelbar sichtbare Erfolge ermöglichen. In diesem Rahmen entwickeln wir Projekte zur Förderung der digitalen Inklusion, für Recycling, für die Wiederverwendung von Hardware etc.

 

Wo steht Genf Ihrer Ansicht nach in Sachen Digitalisierung? Was sind gerade die aktuellen Projekte und Schwerpunkte?

Genf ist auf halber Strecke unterwegs. Wir setzen vor allem auf Grundlagenprojekte und nicht auf kurzlebige «Spielereien», die eher dem Bereich «Smart City» zuzuordnen wären. Wir haben eine Digitalpolitik festgelegt, die auf vier Säulen beruht: 

  • eine inklusive Digitalisierung (Zugang zu den digitalen Technologien für die gesamte Bevölkerung),
  • eine verantwortungsvolle Digitalisierung (Umweltaspekt),
  • eine innovative und kreative Digitalisierung (digitale Kunst, Open Data, Innovationen etc.) und
  • die digitale Transformation der Verwaltung (öffentliche Dienstleistungen online, Umbau des HR-Bereichs in der Verwaltung etc.).

Fällt das Wort Digitalisierung, folgt gleich auch «Sicherheit». Wie stellen Sie sicher, dass die Daten Ihrer BürgerInnen geschützt werden? Was tun Sie, um das Vertrauen von kritischen BürgerInnen zu gewinnen?

Dieser Gesichtspunkt ist zu einem der zentralen Aspekte in den Medien geworden. Darauf haben wir aber nicht gewartet, sondern schon früher Massnahmen ergriffen. Trotz aller technologischen Fortschritte bleibt die grösste Schwachstelle der Mensch. Daher führen wir zum Beispiel seit mehreren Jahren Schulungen für alle Mitarbeitenden und MandatsträgerInnen durch, darunter auch eine Schulung mit dem Titel «Dans la peau d’un hacker» (In der Haut eines Hackers). Bei dieser Schulung werden die Teilnehmenden von ethischen Hackern gecoacht und können dabei Hackermethoden selbst ausprobieren. So werden ihnen Schwachstellen vor Augen geführt, was zu einem besseren Verständnis für die richtigen Verhaltensweisen führt.

 

Wie sieht der elektronische Schalter der Stadt Genf in 20 Jahren aus?

Das ist schwer zu beantworten, da sich die digitale Welt sehr schnell verändert. In jedem Fall muss ein solcher elektronischer Schalter einfach zu bedienen, gut zugänglich, flexibel und effizient sein, damit alle Formalitäten abgewickelt werden können, die die Genfer BürgerInnen heute an den herkömmlichen Schaltern erledigen. Wir müssen aber immer auch einen Zugang zu unseren Dienstleistungen mit persönlichem Kontakt gewährleisten und eine Begleitung für diejenigen Menschen anbieten, die den Kontakt über die digitalen Medien nicht beherrschen oder ablehnen.

 

Sami Kanaan (SP) ist seit 2011 in der Regierung der Stadt Genf (Stadtrat). 2014, 2018 und 2020 war er Stadtpräsident. Sami Kanaan leitet das Departement für Kultur und digitale Transformation, womit er für die Digitalisierung in seiner Stadt zuständig ist. Er verfügt über ein Lizentiat in Politikwissenschaften der Uni Genf und in Physik der ETH Zürich. Vor seiner politischen Karriere war Sami Kanaan Direktor der Abteilung für soziale Kohäsion, Jugend und Sport der Stadt Genf.

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